Die
Improvisation lebt von der Inspiration . Wenn die Inspiration so intensiv
ist, daß sie ein Abschalten des Denken verursacht, werden sämtliche
Mauern durchbrochen und es entsteht eine hörbare, lebendige Gefühlsumsetzung
in Töne. Die Stärke der Inspiration hängt ab von Aufnahmefähigkeit
und Sensibilität. Nur diejenigen musischen Künstler, die Fähigkeiten
besitzen sich völlig von den Fesseln festgelegter Harmoniestrukturen,
Leitern und Skalen zu befreien, sind dem musikalischen Himmelreich ganz
nah. Die Perfektion und Kreativität dieser Musiker wird dadurch bestimmt,
daß sie es erreicht haben, all ihr gesamtes Wissen stufenlos ineinander
fließen zu lassen. Das heißt , daß Theorie, Technik und
Gefühl verschmolzen sind, wobei das Gefühl immer stärker
wird, bis es die Anderen völlig ablöst.
Neben dem Geist, der Fingerfertigkeit, dem harmonischen Verständnis und
der Intuition, muß auf die Rhythmik hohen Wert gelegt werden. Sie
bestimmt den Charakter einer Musik ganz erheblich, denn sie hat Einfluß
auf Atmosphäre und Stimmung. Auch hier gilt, alles Erlernte ineinander
fließen zu lassen, ohne dabei nachdenken zu müssen, was man
da eigentlich gerade tut. Der Rhythmus muß gefühlt und nicht
gezählt werden. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, sich nicht ausschließlich
mit der Theorie zu befassen. Einfach nur seiner Phantasie freien Lauf lassen,
ohne jede Regel oder Vorschrift. Nur so kann vermieden werden, daß
ein Musizierender in seinem Spiel statisch bleibt. Er braucht diese Freiheit,
um seinen individuellen Charakter ausleben und entwickeln zu können.
Ein Musiker ohne Charakter ist nichts anderes als ein Wiedergabegerät,
und ein Wiedergabegerät ist kein Musiker.
Das "Timing", das im direkten Zusammenhang mit der Rhythmik steht, ist ebenfalls
sehr wichtig. Letztendlich trennt sich beim "Timing" die Spreu vom Weizen.
Gutes "Timing" entsteht nicht nur durch viel Übung. Es ist auch immer
eine Frage der Sensibilität im Umgang damit. Man muß es also
auch im Blut haben - wie man so schön sagt.
Viele Jungmusiker neigen dazu ihre Idole zu imitieren, vergessen aber dabei die
eigene Entwicklung. Um sich anfangs spezielle Techniken anzueignen und
dabei dessen Einsatzmöglichkeiten kennenzulernen, ist mit Sicherheit
kein Fehler. Trotzdem sollte es mit der Nachspielerei nicht übertrieben
werden. Bei ersten Live-Auftritten kann man immer wieder beobachten, das
versucht wird - in jeder Phase eines Musiktitels - zu zeigen, was man alles
"drauf" hat. Die Erkenntnis, daß weniger oft mehr ist, stellt sich
erst später nach wachsen der Reife, Erfahrung und Persönlichkeit
ein.
Musik ist eine künstlerische Ausdrucksform für Stimmungen, Bilder,
Ereignisse, Gefühle, Träume und vieles mehr. Für jedes dieser
Ausdrucksbereiche gibt es eine Musik, die ihn besonders authentisch widerspiegelt.
Deswegen darf man sich nicht freiwillig auf einen Bereich beschränken,
denn sonst läuft man Gefahr immer das Selbe zu sagen. Das Geheimnis
besteht darin, die Qualitäten jeder Musik zu entdecken und für
sich nutzbar zu machen.
Ausdauer, viel Geduld und ein unzerstörbarer Wille sind gute Voraussetzungen
um weiter zu kommen. Wer zu schnell aufgibt wird über "Hänschenklein"
nicht hinauswachsen. Musiker zu werden entpuppt sich als Achterbahnfahrt,
bei der man immer wieder an sich zweifelt. Das muß auch so sein,
denn nur der Unzufriedene hat den Willen sich zu verbessern. Deswegen sollte
ein gesundes Maß an Unzufriedenheit immer vorhanden sein. Kein Mensch
kann behaupten, daß er ein fertiger Musiker sei, denn das Lernen
endet erst mit dem Tod. Im Laufe der Jahre wird sich eine gesteigerte Souveränität
bemerkbar machen. Variables Einsetzen verschiedenster Techniken z.B., bereitet
keine Schwierigkeiten mehr. Beobachtet man sich selbst, offenbart sich
die rückblickende Feststellung, daß man plötzlich ganz
unbewußt etwas spielt, das einem früher entweder gar nicht,
oder nur im Geiste möglich war. Bei Erreichen erster erkennbarer Erfolge
dieser Art, klettert das Motivationsbarometer in den roten Bereich und
steigert das Selbstbewußtsein. Jetzt weiß man, daß alle
Mühen nicht umsonst waren und ist bereit neue auf sich zu nehmen.
Eigentlicher Charakterträger ist die Melodie. Durch sie erwacht Musik erst zum
Leben, denn sie ist die Sprache. Wird sie mit Gesungenem kombiniert steigert
sich der Ausdruck. Eine rein instrumentale Melodie jedoch, kann in ihrer
Ausdrucksstärke ebenso beeindrucken, denn sie hat den Vorteil, nicht
textgebunden zu sein und das erlaubt mehr Improvisationsfreiheit. Die Melodie
ist Hauptbestandteil dessen, was sich in den Köpfen verankert. Sie
ist die Königin, um die sich der Hofstaat versammelt. Präsentiert
sie sich eingängig, wird sie zum Massengedanken. Zieht sie jedoch
die Komplexität vor, erreicht sie weit weniger Speicherzellen. Fungierend
als Animationsträger, schleicht sie sich - mit ihren zahlreichen Gesichtern
- unter die Haut der Zuhörer und befällt diese - bei Erfolg -
mit Gänsehäuten. Nur wenn sie auf diese Weise beeindrucken kann,
wurde sie gekonnt mit viel Gefühl erzeugt. Sie ist das Tor zur Seele
der Musik und der Musizierenden.
Musik kennt keine Grenzen oder Schubladen. Dank ihrer Vielseitigkeit kann sie
in uns alles bewirken, wie Freude, Trauer, Angst, Spannung, Ruhe, Nachdenklichkeit,
Erregung, Liebe, Freundlichkeit, Gemeinschaft, aber auch Aggression, Gewalt
und was immer man sich vorstellen kann. Sie ist zudem ein hervorragender
Blitzableiter bei Spannungen jeder Art und sie schafft es, überall
verstanden zu werden, da sie sozusagen die Weltmuttersprache ist. Sie hilft
Menschen etwas zu sagen, was sie verbal nie könnten und wer gut zuhört
wird sie verstehen. Jeder von uns wünscht sich verstanden zu werden,
denn nur wer richtig eingeschätzt wird, bekommt was er verdient. Der
Drang nach Bestätigung und Akzeptanz ist allgegenwärtig und wird
individuell verarbeitet. Menschen die musisch veranlagt sind, besitzen
neben der Sprache ein zusätzliches Mittel sich auszudrücken.
Es zeigt dem aufmerksamen Betrachter, daß sich selbst hinter einer
undurchdringlich erscheinenden Fassade ein echtes menschliches Wesen verbergen
kann.
Kommunikation ohne Worte ist nicht nur durch Berühren möglich, sondern auch
durch Austausch von Blicken und Klängen. Die sogenannte Interaktion
- zwischen "live" spielenden Musikern - ist ein sehr wichtiges Mittel,
um eine Musik bzw. Darbietung lebendig zu gestalten. Das heißt, die
Musiker gehen unmittelbar auf Gestik und Körpersprache, des im Vordergrund
stehenden Mitmusikers, ein. Eine Gegebenheit, die sich bei längerer
Bekanntschaft besonders souverän zeigt, da die Musiker sich und ihre
Gewohnheiten sehr genau kennen. Es wird ein sicheres Zusammenspiel und
das Verschmelzen zu einer musikalischen Einheit erreicht.
Das Musische oder Künstlerische steckt im Grunde in jedem, wird aber von
vielen vernachlässigt oder unterdrückt. Dies fängt schon
bei unserer Erziehung an. Viele Eltern sind unsensibel, was das Erkennen
musischer Fähigkeiten oder anderer Talente ihrer Kinder anbelangt.
Vernachlässigung kann die Persönlichkeit nachhaltig beeinträchtigen.
Menschen, in denen ein großes Potential künstlerischer Energie
steckt, dürfen nicht gebremst werden, denn sie sind für uns wertvoll.
Sie zeigen, daß es neben den Banalitäten des Lebens noch andere
Bewußtseinsebenen gibt, die uns das Dasein verschönern können,
welche aber für einige unerreichbar bleiben werden.
Mich beschäftigt immer wieder die Frage, warum eine Musik, die für
den Einen die Erfüllung darstellt, den Anderen völlig kalt läßt.
Was für den Einen eine sehr inspirierende, gefühlvoll und gekonnt
gespielte Musik ist, entlockt dem Anderen nur die Worte : "was ist denn
das für ein Gedudel"? Nun zu sagen, dies sei eben Geschmackssache,
ist mir zu einfach. Wenn ich von mir selbst ausgehe, kann man sagen, daß
ich auch als Zuhörer sehr vielseitig und vor allem vorurteilsfrei
bin. Das heißt, ich bin in der Lage die Qualitäten jeder Musik
zu erkennen und diese dann auch entsprechend zu honorieren, selbst dann,
wenn sie nicht zu meiner Lieblingsmusik gehört. Es spielt also keine
Rolle um welchen Stil es sich handelt. Leider scheint die Auffassungsgabe
vieler nicht den Wünschen der Musiker zu entsprechen. Sie streben,
zu Recht, die Schätzung ihrer Kunst an, denn hinter der Verwirklichung
steckt sehr viel Liebe, Arbeit und Engagement.
Auffällig ist auch die Beobachtung, daß viele mit Filmmusik ohne Film nichts
anfangen können. Schafft man eine Verbindung zur visuellen Welt bekommt
diese Musik plötzlich Gewicht. Sie ist nicht mehr wegzudenken. Jeder
weiß wie es ist einen Film ohne Ton zu sehen. Er verliert völlig
seinen Reiz, denn sämtliche Gefühlszustände, die im Film
vom Charakter der Musik abhängen, gehen verloren. Gerade hier wird
sehr deutlich, daß jede Form von Musik seine Berechtigung hat, weil
im Film für jede Stimmung eine spezielle Musik gebraucht wird. Hier
kennt man keine Geschmacksgrenzen, hier wird jeder Stil frei eingesetzt.
Mit etwas mehr Phantasie sollte es doch dann auch möglich sein, Geschmack
an einer Musik zu finden, die genau diese ausdrucksstarken Elemente einer
Filmmusik enthält, aber ohne das dabei die passenden Bilder serviert
werden. Diese können nämlich auch im Geiste ablaufen. In diesem
Zusammenhang kommt mir ein sehr krasses Beispiel in den Sinn, von einer
eher als Ausnahme zu bezeichnenden Band, die sich "Magma" nennt. Diese
Musik paßt nun wirklich nicht in irgendeine Schublade. Wer sie kennt
weiß sehr genau wovon ich rede. Trotz ihrer sehr düsteren Stimmung
ist sie voller Leidenschaft und unbändiger Energie. Ihre Erschaffer
haben sie zu ihrem Lebensinhalt gemacht. Sogar eine selbst geschaffene
Sprache, in der sich unter anderen französisch verbirgt, soll die
Ausdrucksstärke individualisieren und unterstreichen. Aber solche
Musik schätzt die Masse nicht, denn sie wird nicht verstanden. Es
ärgert mich nur sehr, daß nicht einmal versucht wird zu verstehen.
Es mangelt wohl am notwendigen Bewußtsein. Schön und gut, doch
sollten diese Menschen sich dann nicht besser ein wenig zurückhalten,
bevor sie anfangen über etwas zu urteilen, von dem sie nichts verstehen?
Eine Band muß in vielerlei Hinsicht funktionieren, wenn sie nicht ewig
eine Kellerband bleiben will. Das heißt, für jedes Mitglied
muß die Band und die Musik oberste Priorität haben, ohne sich
und andere dabei mit privaten Problemen zu belasten. Die schaffen nur schlechte
Stimmung und Nachlässigkeit. Der Probetermin wird zur Zeitverschwendung.
Es gilt, sich auf das Wesentliche und das damit verbundene Ziel zu konzentrieren.
Ziellosigkeit kann zum Genickbruch führen und sollte deshalb rechtzeitig
- mit Hilfe von klärenden Gesprächen - vermieden werden. Meist
existieren in einer Gruppe sehr unterschiedliche Meinungen und Geschmäcker,
die - werden sie nicht klargestellt - zu späteren, nicht dienlichen
Überraschungen führen können. Sind sich alle über die
angestrebten Ziele einig, kann effizient gearbeitet werden. Womit gleich
ein weiteres Stichwort angesprochen wäre, nämlich "arbeiten".
Hat man sich hohe Ziele gesteckt, muß jedem klar sein, daß
die Proben nicht nur zum Spaß und Zeitvertreib da sind, sondern daß
wirklich geschafft werden muß, um akzeptable Ergebnisse zu erzielen.
Hierfür ist eine gewisse Selbstdisziplin und die richtige Einstellung
von Nöten. Gemeinsam am selben Strang ziehen - ist zwar schon ein
abgegriffener Spruch - trifft aber genau den notwendigen Kern der Sache.
Versteht man sich privat untereinander nicht besonders gut, tickt die Zeitbombe
unaufhaltsam und die spätere Katastrophe ist vorprogrammiert. Gerade
aus diesem Grund kommt es immer wieder zu Bandauflösungen oder -dezimierungen.
Es ist sehr schwer die passende Kombination zwischen musikalischem Können
und privater Verträglichkeit zu finden. Der Idealfall tritt wohl eher
seltener auf und sollte deshalb gut behütet werden.
Bekommt man mal keine Steine in den Weg gelegt, steht man sich selbst im Weg. Faulheit,
Unmut, privater Streß und Enttäuschung sind hierfür meist
die Initiatoren. Niemals aufgeben ist die Devise, auch wenn es sehr schwer
fällt. Deshalb ist es von Vorteil wenigstens eine Kämpfernatur
mit organisatorischen Fähigkeiten in der Truppe zu haben. Selbstüberzeugung
spielt eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang. Man muß von dem
was man tut überzeugt sein, um andere überzeugen zu können.
Nur wer echte Leidenschaft widerspiegelt wird ein Publikum erreichen. Jeder
Musizierende wünscht sich Anerkennung und Bestätigung, denn sie
sind Bezahlung für die Seele. Wege mit viel Kompromissen sind oft
unvermeidbar, um ans Ziel zu gelangen. Ist man jedoch zu kompromißbereit,
entsteht sehr schnell die Gefahr der Unglaubwürdigkeit.
Chronisch eingebildete Selbstverwirklicher mit Starallüren haben in Band's nichts
zu suchen. Gleichwertigkeit und Zusammenhalt sind Prädikate, mit denen
sich Gruppen lange aufrecht halten können, denn nur auf diese Weise
ist ein Arbeiten über lange Zeiträume möglich.
So unterschiedlich der Mensch nun mal ist, wird es immer Niveauschwankungen
geben. Kampf und gegenseitiges "Niederspielen", sind natürlich keine
Qualitätsträger einer Musik. Wie herausragend ein Einzelner auch
sein mag, die Qualität wird von der Gesamtheit aller bestimmt. Ein
gewisses Maß an Bescheidenheit täte hier so manchem "Überflieger"
gut. Angeben - im Sinne von: sich übermäßig hervortun -
widerspricht dem "Musikersein", denn wer mit Herz, Bauch und Seele musiziert,
braucht über sein Können kein Wort zu verlieren, da es für
sich selbst spricht.
Weitere erfolgsstoppende Eigenschaften sind : permanente Unpünktlichkeit,
ewig lange Spielpausen, Geldprobleme, Konzeptlosigkeit, mangelnder Ideenreichtum,
ständige Unzuverlässigkeit, krankendes Selbst -und Verantwortungsbewußtsein,
sowie Drogenabhängigkeit, zu der auch der Alkohol zählt. Für
manchen mag sich das anhören wie ein Moralapostel, doch wer belohnt
werden möchte, muß erst zu Belohnendes leisten. Meine Ma hätte
jetzt gesagt : "Von nischt, kommt nischt!"
Musik ist nicht einfach nur die Beschreibung dafür, Töne zu erzeugen.
Sie ist viel mehr als manche je begreifen werden.
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